Swiss Hepatitis Symposium 2023

An einem grauen Novembernachmittag, am Tag des Berner Ziibelemärits, fanden sich gut 50 Personen in der Welle7 ein. Nochmals etwa 30 Personen waren per Zoom zugeschaltet. Markus Messerli, Präsident des Swiss Pharmaceutical Care Network und Inhaber einer Apotheke in Baar, machte den Auftakt. Er stellte eine Pilotstudie mit Apotheken in der Schweiz vor, welche Klientinnen und Klienten auf Hepatitis C getestet haben. 36 Apotheken wurden eingeladen, 21 begannen das Screening. Total wurden über 400 Patienten angefragt, ob sie zu einem Test bereit waren, 145 wurden getestet. 18 Patienten hatten einen positiven Antikörpertest. Die Evaluation hat gezeigt, dass Apotheken ein guter Ort sind, um Tests insbesondere bei Risikogruppen anzubieten. Dazu brauche es aber «Kickbacks», sprich die Kosten müssen gedeckt sein.

John Dillon, Professor an der Dundee University, war online aus Schottland zugeschaltet und stellte die erfolgreiche Mikroelimination von Hepatitis C in der Region Tayside in Schottland vor. Dabei spielten Apotheken eine entscheidende Rolle. Ihre Studien zeigten, dass die Versorgung von Patientinnen und Patienten im Drogenbereich, welche eine chronische Hepatitis C aufwiesen, in Apotheken deutlich besser war als über die Standard-Behandlungswege. Es brauche aber Anreize, damit die Apotheken mitmachen. Dann könnten sie alle Schritte von Bluttests, über Diagnostik und Therapie abdecken.

Niklas Luhmann leitet die Abteilung für virale Hepatitis bei der Weltgesundheitsorganisation WHO. Er zeigt, dass weltweit nur ein kleiner Teil der infizierten Personen mit Hepatitis B oder C diagnostiziert sind, wobei die Zahlen sich nach Regionen stark unterscheiden. Die internationalen Richtlinien bewegen sich in Richtung Vereinfachung der Diagnostik und Therapie. Die Empfehlungen betonen heute Dezentralisierung, Integration und Aufgabenteilung. Das bedeutet insbesondere, dass sich die Betreuung von Betroffenen von spezialisierten Kliniken wegbewegt, hin zur Grundversorgung, welche Risikopersonen betreuen. «Simplification» habe verschiedene Gesichter. Das bedeute zum Beispiel ein vereinfachter Algorithmus in der Klinik sowie eine Versorgung, die Hausärzt:innen miteinschliesst. Die Versorgung müsse die Person ins Zentrum stellen. Nur so könne die Elimination erreicht werden.

Margaret Hellard, Infektiologin aus Melbourne, sprach über die Vereinfachung der Hepatitis-B-Versorgung. Die Behandlungsrichtlinien sind heute sehr kompliziert. Weitere Hürden sind die Kosten der Tests in Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Die Infektiologin stellt die These in den Raum, dass alle Patientinnen und Patienten mit einer chronischen Hepatitis B behandelt werden sollten. Es gibt keine endgültige Evidenz, aber Hinweise, dass dies der richtige Weg sei. So erhöht eine Infektion mit Hepatitis B das Risiko einen Leberkrebs zu entwickeln bedeutend, auch wenn die Leber noch nicht geschädigt ist. Das Risiko ist vergleichbar mit demjenigen beim Rauchen eines Päckli Zigaretten am Tag. Wir müssten chronische virale Hepatitis als kanzerogene Infektionskrankheiten sehen.

Ein Interview mit einem Betroffenen, der mit Hepatitis B lebt, bestätigte diese Sichtweise der Infektiologin. Der Patient wurde in Vietnam geboren und kam in den 70er Jahren mit der Familie in die Schweiz. Seine Schwester wurde per Zufall – beim Blutspenden – positiv auf Hepatitis B getestet. Danach wurde die ganze Familie getestet und es stellt sich heraus, dass er von der Mutter bei der Geburt mit Hepatitis B angesteckt wurde. Er liess sich erst Jahre später weiter untersuchen und hatte da schon – ohne jemals Symptome gehabt zu haben – einen Leberkrebs entwickelt. Der Arzt gab ihm nur noch kurze Zeit zu leben. Einen Schock für den Familienvater, dessen Frau mit dem 2. Kind schwanger war. Es folgten Operationen, monatelange Spitalaufenthalte und schliesslich eine Lebertransplantation. Mit viel Glück hat der Patient den Krebs überlebt. Heute geht es ihm und seiner Familie gut.

Andrea Bregenzer und Claude Scheidegger präsentierten Beispiele, wie die Versorgung in der Schweiz in OAT-Programmen und im Gefängnis erfolgen kann. Andrea Bregenzer zeigte auf, dass Point-Of-Care-Tests in Apotheken möglich sind. Viele Probleme seien schon gelöst und die Diagnostik und Zugang zur Therapie seien schon vereinfacht. Es bleiben aber noch viele Barrieren bestehen wie zum Beispiel die fehlende Vergütung von Schnelltests. Claude Scheidegger, Leiter des Projekts SHiPP Swiss HepFree in Prisons Programme, zeigte erste Resultate aus Schweizer Gefängnissen. Das Programm hat Haftanstalten aus allen Landesteilen eingeschlossen. Während einzelne Infektionen mit Hepatitis B und HIV gefunden wurden, liegt die Prävalenz bei chronischer Hepatitis C zwischen 1 und 3 Prozent. Dies sind vorläufige Zahlen in einem Programm, das erst richtig Fahrt aufnimmt. Die Aussagekraft ist daher beschränkt. Jedoch zeige es: Wer sucht, der findet. Und: die von Haftanstalten oft befürchtete Aussage, dass das Gesundheitssystem überlastet und die Versorgung zu teuer sei, bewahrheitet sich kaum.

Zum Abschluss der Vortragsreihe zeigte die Pflegewissenschaftlerin vom Kantonsspital Sankt Gallen, Patrizia Künzler-Heule, wie interprofessionelle Zusammenarbeit die Versorgung vereinfachen kann. Bei der sogenannten «nurse-led» Care, die sie in Sankt Gallen eingeführt haben, begleitet eine Pflegefachfrau die Patientinnen und Patienten durch alle Schritte der Behandlung. Dabei arbeitet die Pflegefachfrau eng mit den Hepatologinnen und Hepatologen, aber auch Grundversorgenden oder Spitex-Dienste zusammen. Bei dieser Art von Zusammenarbeit müssen die Rollen und Prozesse klar definiert und alle bereit sein, voneinander zu lernen. Dadurch würden Patientenbedürfnissen optimal entsprochen.

Den Abschluss machte eine Podiumsdiskussion, wo die Teilnehmenden die Bedeutung von Apotheken in der Versorgung und die Überwindung von Barrieren zur Versorgung vertieften.

SAVE THE DATE: Das nächste Swiss Hepatitis Symposium findet am 2. Dezember 2024 statt!

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